Die Raubweihnacht 1631

Fränkische Presse  59. Jhrg.  Nr. 296

Andreas Bauer:          Die Raubweihnacht von Welitsch 1631

Eine geschichtliche Erzählung

Klarer Himmel lag über dem Frankenwald, als die Glocken mit gewaltigen Schlägen den Frieden der Heiligen Nacht ankündigten. Allenthalben sah man aus den Gründen, über die Hänge herab blutrote Finken hüpfen, die gar bald zu flackernden Flammen wurden. Die Bauern von Welitsch, von Friedersdorf und Eila waren es, die zur Christmette nach Rothenkirchen wanderten. Es waren heute nicht so viele wie alle Jahre. Sonst kamen sie in hellen Zügen zur Pfarrkirche gewallt, Männer und Weiber, keines wollte daheim bleiben. Aber heuer war es anders. Die Zeiten wurden mit jeder Stunde unsicherer. Von Kronach her kamen mit jedem Tag neue Nachrichten, die besagten, daß es gar nicht gut stehe im Hochstift Bamberg. Alles ringsum ist abgefallen von des Kaisers heiliger Majestät, ist zu den Neuerern übergelaufen, um nur nicht Raub und Plünderung ausgesetzt zu sein, so es allenthalben im Lande geschah. Es ward auch vom Bischof an alle Ämter Befehl ergangen, den Ausschuß in guter Bereitschaft zu halten und Verzeichnisse des gelten und tragenden Rindviehes, der Schafe und Schweine aufzunehmen und einzuschicken, was nicht als gutes Zeichen gedeutet wurde. Von Kronach her streiften fast jeden Tag kaiserliche Reiter, die, sehr kampfesmutig, sich nach dem Feinde sehnten. Sie waren wohl gut Freund, wurden jedoch saugrob, wenn der Bauer ihnen den verlangten Trunk nicht bieten wollte. Damit wollten die Bauern indes recht zufrieden sein. Der Feind, so er nicht weit drüben im Sächsischen weilte, trieb es noch ganz anders.

So ward die Christzeit in diesem Jahr sorgenvoll genug und jeder Bauer hätte gerne Weib und Kind zur Mette mitgenommen, damit alles im Haus hätte vor der Krippe beten können um die Gnade der Verschonung vor der schrecklichen Kriegsgeißel. So aber mußte die Hälfte der Männer und Burschen in den Dörfern bleiben und ernsthaft aufpassen.

Die Welitscher fürchteten augenblicklich nicht viel. Noch am Tage vorher ist der Schuster Claus Heublein von Sonneberg zu ihnen gekommen und bat, man solle ihm seine wenigen Stiefel abkaufen. Er konnte viel Neues berichten von drüben, erzählte, daß die Heerhaufen sich allmählig verlaufen und nach Süden ziehen. Der Wald brauche nicht auf Gefahr zu rechnen. Die schwedischen Völker wüßten, daß die Bauern hier wenig zu nagen und keinen Reichtum aufgespeichert hätten. Gar schön und zuversichtlich plauderte der Schuster und weil er gar so viel Freudiges brachte, kauften die Bauern ihm seine Stiefel ab. Nur das Weib des Hannsen Keim konnte kein Vertrauen gewinnen zu den Reden des Schusters. Sie wies ihn auch barsch ab als er vor das Haus kam und sie keck am Ärmel zupfte. Der Schuster ließ sich nicht abweisen, sondern verlangte den Eheherrn zu sprechen und da dieser nicht daheim war, sondern im Holz ging er ohne weiteres in die Stube und setzte sich lang und breit an den Tisch; dann begann er zu erzählen von dem Streit der Fürsten, die sich leicht täten, weil sie nicht selbst an den Feind gingen, sondern nur dummes Räubervolk dazu gebrauchen könnten. Gar viel Schönes wußte er zu erzählen von dem neuen Glauben, wo die Pfaffen nicht mehr unverehelicht herumlaufen müßten, sondern ein schönes Mädlein freien könnten. Dann, als die Bäuerin nicht hinhörte, fing er an die Kamin zu loben ob des schlanken Wuchses und der schönen Stirn. Es tät ihn nicht reuen, müßte er sein buckliges Weib fortjagen, um sie zu freien und dem alten Keimen eine auszuwischen. Empört bei solcher Rede, rief die Keimin mit flackernden Augen ihren großen Buben, der im Stadel räumte, und als dieser kam mit dem Beil in der Hand, ging der Schuster schnell von dannen. Die Keimin sagte ihrem Manne, als er heim kam nichts von dem Vorfall mit dem Sonneberger Schuster und auch ihr Bub, der wie der Vater Hannsen hieß, versprach zu schweigen.

Der Schuster ging in die Mühle, erzählte dort wie schlecht ihn die Keimin behandelt und beschimpft und verkaufte dort das letzte Paar Schuhe, weil auch der Müller Otten Rebhahn lieber auf gutem Fuße mit dem Burschen stehen wollte als auf bösem. Er wußte, daß der Schuster jahraus, jahrein im Lande umherfuhr und daß er leicht einen Trupp Reiter, so sie sich nach Leute erkundigten, nach Welitsch hereinschicken konnte.

Was im Hause des Hannsen Keim geschehen, erfuhr kein Mensch und drum ward man auch nicht in merklicher Sorge, bewachte das Dorf wie immer mit der halben Mannschaft. Vom Turm der Pfarrkirche hielt der alte Lenz, der Nachtwächter von Rothenkirchen, Ausguck. Es war verabredetes Zeichen, daß bei Not in den Dörfern der Pfarrei eine Pechfakel entzündet und drei mal in die Höhe geworfen wurde.

Es rührte sich nichts während der heilgen Handlung. Die Männer standen in den Kirchgängen, gestützt auf die Waffen, die sie bei sich trugen und die Weiber knieten andächtig in den Stühlen. Als die Metten zu Ende war, konnte man eitel Freude auf allen Gesichtern lesen. Man hatte gerade um diese Stunde gefürchtet, daß räuberisches Gesindel die Gelegenheit ausnützen und über die halbbewehrten Dörfer herfallen könnte. Es erfolgte indes kein Überfall und so zogen die Gruppen frohgemut heimwärts den schützenden Hütten zu.

In tiefem Schlafe ruhten Mensch und Tier. Die letzten Stunden vor dem Tag sie kamen schneller als sonst. Da und dort blinkte ein Licht auf. Das Vieh in den Ställen brüllte so lange, bis die Barren mit Heu gefüllt waren. Ein Teil der Bevölkerung machte sich fertig zur Frühmesse und man war gerade zum Dorf hinaus, als drüben vom Walde her ein Schuß vernehmbar wurde. Es knallte und hallte weit ins Tal hinüber.

Erschrockern wendeten die Kirchgänger ihre Schritte und liefen, Feuer und Mordio schreiend, zum Dorfe zurück. Dort ward jetzt in jedem Hause Licht angemacht und der Älteste hatte auf das Schreien hin schon eine Pechfackel angezündet und stand mit der Muskete unter der Türe. Aus jedem Hause kamen die Männer und Burschen und sammelten sich um ihn. Keiner wußte, was eigentlich los war.

Plötzlich dröhnte Hufschlag und jäher Schlachtschrei unten in der Gasse und ehe einer der Männer das Schießeisen heben konnte, sausten schon die Säbel der Reiter auf die Köpfe hernieder. Jetzt liefen sie alle auseinander, jeder wieder seinem Hause zu. Hannsen Keim floh durch die Gärten und wischte sich das Blut vom Gesicht. Otten Rebhahn, der Müller, hatte einen der Reiter am Fuße gepackt und aus den Bügeln gezogen, daß der Bursche in den Schnee fiel. Allein hinter den Reitern kamen mehr als drei Dutzend Fußvolk und die sahen die Gefahr des Reiters. Der Müller lag bald gebunden neben der Beute, die das räuberische Gesindel aus den Häusern schleppte. Großes Wehklagen wurde überall laut. Fensterscheiben klirrten, Türen wurden eingestoßen. Unter Fluchen und Drohungen drangen die Räuber überall ein und durchstöberten die Stuben. Wer nicht freiwillig Geld und Gut herausgab, dem hielt man Gewehr und Messer auf die Brust und drohte mit Mord und Brand.

Die Keimin war zu Tode erschrocken aus dem Stall in den Hof geeilt. Hier waren schon ein halbes Dutzend grobe Burschen und faßten sie fest an, als sie ausreißen wollte. Sie erkannte den nächsten besten sogleich, es war der Schuster aus Sonnerberg. Mit geschwärztem Gersicht stand er vor ihr und lachte höhnisch auf ihr inständiges Bitten, alles zu nehmen, was sie wollten, aber nur sie selbst möge man um des Kindlien willen, das sie unterm Herzen trage, am Leben lassen. Die Räuber fingen an, weich zu werden und versuchten zu verhandeln. Sie wollten mit den Vieh und fünfzig Gulden zufrieden sein. Doch da kam ein schrecklicher Zwischenfall. Der alte Hannsen Keim kam hinter den Städeln herunter auf sein Haus zu, gewahrte im Hof sein Weib von den Räubern umgeben, hob die Muskete hoch und – krach lag einer von ihnen schreiend am Boden. Auch der Junge, so er die Mutter in Gefahr sah, folgte dem Beispiel des Vaters. Er hatte nur ein handliches Beil zur Stelle. Mit diesem stürzte er auf den Haufen und machte mit wütenden Schlägen einige nieder. Die anderen flohen, da auch der alte Hannsen Keim drauf losschlug. Doch kaum waren sie außerhalöb des Hofes, als sie umkehrten und die Gewehre abschossen. Der alte Keim sank zu Tode getroffen nieder; der Junge schrie schmerzhaft auf, ihm war die Schulter zertrümmert. Die Mutter wollte ihren Buben, der nicht mehr gehen konnte, ins Haus schleppen und hatte schon etliche Schritte getan, als zwei Räuber in den Hof sprengten, fürchterliche Flüche ausstießen und die Pferde tanzen ließen. Die Keimin fiel mit dem Buben hin und die Hufe der Pferde fügten ihr soviel Wunden bei, daß kein Mensch einen Heller um ihr Leben gab. Der Bub war, bis eins herbeikam, schon gestorben.        

Die Räuber wüteten fürchterlich im Dorfe. Sie drangen in jedes Haus, erbrachen Truhen und Schränke und was sie nicht mitnehmen konnten, das schlugen sie in Trümmer.

Ein Haufen eilte auf die Kapelle zu, brach die Tür auf, durchsuchte die Truhen, so sie in der Sakristei standen, fanden aber nichts. Darauf zerhieben sie mit aller Gewalt den Taufstein und raubten das Altartuch.

Der Müller Otten Rebhahn konnte seiner Dienstmagd Margarethe Nicklin von Neukenroth stammend, die gerade vorbeieilte um nach ihrem Herrn zu suchen, zurufen. Sie kam herbei, doch waren die Stricke zu fest verknotet, so daß sie diese mit eigener Hand nicht hätte lösen können. Der Müller konnte ihr nur sagen, sie solle die Pechfackel anzünden und schnell ein Zeichen geben. Das tat sie auch; sie lief nach der Mühle, brannte zwei Pechfackeln im Ofen an und trug sie in den Hof.

Sie warf, wie ihr befohlen, die Fackeln dreimal in die Höhe und da die dort noch hausenden Räuber erkannten, daß es sich um ein Zeichen handeln müsse, gingen sie der Magd nach, die eilends nach dem Holze zurannte. Sie schossen nach ihr und trafen sie in den rechten Arm. Trotz großer Schmerzen lief sie noch bis Friedersdorf, allwo man das Zeichen wohl nicht gesehen, aber das viele Schießen gehört. Auch in Brauersdorf, Eila, Posseck, Größau und Neukenroth war man aufmerksam geworden, das es in Welitsch nicht recht zugehen müsse. Die Bauern bewaffneten sich eilig und stießen gar bald auf flüchtende Welitscher, die meist übel zugerichtet waren.

Gerade als die Räuber alles Vieh zusammen getrieben und alle Wagen bespannt hatten, auf denen der große Raub sollte ins Sächsische entführt werden, brachen die Friedersdorfer von oben herunter ein und da sie gut mit Pferden standen, glaubte der Feind Kaiserliche aus Kronach vor sich zu haben. Stellte er sich zum Kampf, wäre es den Friedersdorfern wohl schlecht ergangen. Sie hatten nur zwei Musketen bei sich. Da sind im letzten Augenblick die Eilaer von der anderen Seite angerannt. Die Possecker gleich hinterdrein. Das Raubgesindel glaubte, es kämen noch mehr Kaiserliche. Als noch etwa vierzig Männer von Neukenroth und zehn von Größau kamen, da wurde den Räubern der Boden zu heiß und sie flohen eilends nach dem Walde zu. Noch mancher wurde totgeschossen. Die Beute aber, an die 200 Stück Vieh und einige Wagen, mußten sie bis auf zwei Ochsen stehen lassen.

Wie aber sah es in Welitsch aus ?

Alle Fenster zerschlagen, die Stuben ausgeraubt und viele Einwohner, die nicht flüchten konnten mit blutigen Gesichtern.

Sogleich nahm man die Verfolgung der Räuber auf, doch sie waren schon zu weit ins Sächsische entkommen. In Heinersdorf arrestierte der Schultheiß den Schuster aus Sonnberg, der noch geschwärzt war. Der Müller Ott Rebhahn wurde erschossen bei Mönchsberg aufgefunden.

Man hat die Toten auch untersucht und herausbekommen, daß die zu Fuß Bauern aus dem Sächsischen waren. Die Reiter aber sollen zu Coburger Regimentern gehört haben.

Das war die Räuberweihnacht von Welitsch Anno 1631.

Das Schloß zu Rothenkirchen wurde beim Durchzug des Herzogs Bernhard von Weimar am 25. Februar 1632 verbrannt. So schadeten selbst die eigenen Freunde dem Hans Veit v. Würtzburg. (Dr. Hotzelt, S. 483)

Das Schloß zu Haßlach b. Kronach abgebrantt am 12. Juni 1632.

Gebr. Stöhr  S. 246: Am 12. Juni 1632 zog sich der schwedische Oberst Hastver von Kronach aus nach Neustadt a. d. Heide zurück, nachdem er noch zuvor Gundelsdorf, Knellendorf, das Schloß und die Mühl von Haßlach abgebrannt und Stockheim und Neukenroth ausgeplündert hatte. –

Die Ritter v. Haßlach:

Grabstein des Stammensletzten Hans Dietrich v. Haßlach (verst. 1595) auf der Burg Neuhaus b. Köppelsdorf (Thüringen).

Wappen: Längsgespaltener Schild, rechte Hälfte mit mittlerer Querbinde     Helmzier: Büffelhörner.

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